Arbeitsfeld Gesundheit und Covid-19, Burnout - Prävention und Intervention

 


Die andauernde durch die Coronapandemie bedingte Krisensituation erfordert es, auch das Thema Gesundheit im Bildungsbereich neu zu betrachten. Und sie führt zu neuen Fragestellungen in Bezug auf Evaluationen in allen gesellschaftlichen Bereichen.  Derzeit werden viele Maßnahmen innerhalb und außerhalb des Bildungsbereichs durchgeführt, die helfen sollen, das Virus einzudämmen. Aber wie steht es um die Evaluation dieser Maßnahmen? Und welche möglichen Nebenwirkungen werden untersucht?

Zeitweise waren Bildungseinrichtungen heruntergefahren worden, ohne dass die Effekte und Nebeneffekte dieser tiefgreifenden Maßnahmen untersucht wurden. Dies hat zu einer scharfen Kritik seitens der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung, der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und anderer Fachgesellschaften geführt (GEBF 2020). Inzwischen räumt die Politik den Bildungseinrichtungen eine hohe Priorität ein und versucht, den Präsenzunterricht so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Das ist eine wichtige, wenn auch nicht unumstrittene Entscheidung.  Derzeit (November 2020) werden gerade wieder Kultureinrichtungen und wichtige Sportstätten wie Schwimmbäder geschlossen. Auch diesmal kann ich nicht erkennen, dass diese Maßahmen evaluiert werden. Wird dadurch tatsächlich erreicht, dass das Virus sich langsamer ausbreitet? Wie groß ist dieser erwünschte Effekt tatsächlich? Und welche Nebenwirkungen haben diese Schließungen und Verbote? Mir scheint, wir sind durch Covid-19 zurückgeworfen worden, zurückgeworfen in eine Zeit, in der man gerade im Bildungsbereich vieles verändert hat, weil es möglich war, aber nicht weil es sinnvoll und wirkungsvoll war. Dies war die Zeit vor der zweiten empirischen Wende in der Pädagogik. Es gilt gerade jetzt aber, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Instrumente evidenzbasierter Wissensgewinnung einzusetzen, um die derzeitige Dauerkrise beherrschbar zu machen. Bildung und Forschung haben dabei eine Schlüsselrolle.

Auch Maßnahmen wie die Maskenpflicht im Unterricht werfen viele pädagogische Fragen auf. Wie verändert sich die Kommunikation beim Fortfall eines Teils der nonverbalen Kommunikation durch Mimik? Welche Strategien entwickeln Lehrkräfte und Lernende, um das Fehlen vieler Hinweise und Signale zu kompensieren? Erziehung in Zeiten von Covid-19 steht auch in der Schule vor neuen Aufgaben. Verantwortung für sich selbst und andere wird zur konkreten Aufgabe, aber auch die Verarbeitung von Sorgen und Ängsten spielt eine weitaus wichtigere Rolle als in den "unbeschwerten" Zeiten vor Corona.


Nachweise

GEBF (2020). Stellungnahmen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und anderer Fachgesellschaften: https://www.gebf-ev.de/deutsch/stellungnahmen/


 

 

Der folgende Teil entstand vor Corona, er ist gleichwohl nach wie vor aktuell, deswegen lösche ich ihn (noch) nicht:

 

Ängste und Depressionen gehören inzwischen zu den Geißeln der Menschheit. Die Zahl der Betroffenen ist in den letzten Jahrzehnten in den westlichen Ländern stark angestiegen. Insbesondere Lehrerinnen und Lehrer sind von einer psychischen Störung besonders häufig betroffen, die als Burnout bezeichnet wird und in ihrem Erscheinungsbild der Depression ähnelt. Was hat es damit auf sich? 

 

Ausgangsfragen:

Gibt es in pädagogischen Berufen spezielle gesundheitliche Risiken?

Was ist Burnout?

Wie wird Burnout gemessen?

Wie weit ist Burnout verbreitet?

Wie entsteht Burnout?

Was kann zur Prävention getan werden?

 

Burnout wird hier definiert als Syndrom aus langfristig anhaltender emotionaler Erschöpfung, reduzierter Leistungsfähigkeit und starker Versachlichung des Bezugs zu Klienten, Zielgruppen, Lernenden. Nach unseren Untersuchungen (Bauer/Kanders 1998, Bauer/Kanders 2000) sind etwa 15 bis 20 % der Lehrkräfte nach dieser strengen Definition betroffen. Andere Studien kommen zu höheren Schätzwerten, die bis zu etwa 30 % reichen.

 

Die folgende Präsentation beantwortet wichtige Fragen zum Burnout (Stand 11/2011):

Belastung und Burnout. Update 2011

 

Eine Rezension von aktuellen Studien zum Burnout von Lehrkräften habe ich Ende 2010 online veröffentlicht:

Bauer, K.-O.(2010): Rezension von: Koch, Dorothee: Gesund bleiben im Lehreralltag – Potenziale erkennen, Ressourcen nutzen, Ein empirischer Beitrag zur Analyse widersprüchlicher Handlungsanforderungen im Lehrerberuf. Hamburg: Kovač 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 6 (Veröffentlicht am 08.12.2010), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383004271.html

 

Literatur zur Burnoutprävention

 

Bauer, K.-O. (2009). Pädagogische Selbstwirksamkeit und Burnoutprävention. In: Kliebisch, U./Meloefski,R. (Hrsg.): LehrerGesundheit. Anregungen für die Praxis. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren, S. 59-72

Bauer, K.-O.(2010): Rezension von: Koch, Dorothee: Gesund bleiben im Lehreralltag – Potenziale erkennen, Ressourcen nutzen, Ein empirischer Beitrag zur Analyse widersprüchlicher Handlungsanforderungen im Lehrerberuf. Hamburg: Kovač 2009. In: EWR 9 (2010), Nr. 6 (Veröffentlicht am 08.12.2010), URL: http://www.klinkhardt.de/ewr/978383004271.html

Kliebisch, U./Meloefski, R. (Hrsg.) (2009):  LehrerGesundheit. Anregungen für die Praxis. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren,

 


 

Materialien zur Burnoutprävention und zum effektiveren Umgang mit Belastung und Beanspruchung

Diese Materialien werden ständig auf der Grundlage von Forschungsergebnissen überarbeitet. Vorerst nur einige Kostproben. Sie eignen sich nur zur Vorbeugung, Burnout selbst bedarf in jedem Fall der medizinischen und psychotherapeutischen Behandlung nach entsprechender Diagnose.

 

Irrglaubenssätze, die selbstschädliches Handeln fördern

 

Ja, das glaube ich oft
 

1. Es ist für mich absolut notwenig, von jeder anderen Person in meinem Umfeld geliebt und anerkannt zu werden.

2. Ich darf mich nur dann als wertvoll empfinden, wenn ich in jeder Hinsicht tüchtig und leistungsfähig bin.

3. Bestimmte Menschen sind schlecht und böse und müssen dafür streng gerügt und bestraft werden.

4. Es ist schrecklich und katastrophal, wenn die Dinge nicht so laufen, wie ich sie haben will.

5. Menschliches Leiden und meine Probleme haben äußere Ursachen, die ich nicht beeinflussen kann.

6. Ich muss ständig auf der Hut sein und mir Sorgen machen, da jederzeit Gefahren eintreten können.

7. Es ist leichter für mich, Schwierigkeiten auszuweichen, als mich ihnen zu stellen.

8. Ich sollte mich auf andere verlassen und brauche einen Stärkeren, auf den ich mich stützen kann.

9. Meine Vergangenheit hat entscheidenden Einfluss auf mein gegenwärtiges Verhalten. Etwas, das sich früher auf mein Leben auswirkte, wird dies auch weiter tun.

10. Ich muss mich um andere kümmern. Ich muss mich aufregen, wenn andere Probleme und Verhaltensschwierigkeiten haben.

 

Wenn Sie häufig zugestimmt haben, disputieren Sie mit sich selbst: Was spricht gegen die jeweilige Theorie? Greifen Sie Ihre Überzeugungen und an und suchen Sie nicht nur in der Vorstellung, sondern  auch in der Realität nach Gegenbeispielen, etwa (zu Item 4):

"Gestern lief die Sitzung ganz anders, als ich erwartet habe. Da waren statt einem zwei Punkte auf der Tagesordnung, die mich betrafen. Wie schön, ich habe die Gelegenheit genutzt, um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, obwohl ich gar nicht vorbereitet war."

 

Für die Burnout-Prävention ist u.a. die Fähigkeit wichtig, sich innerlich von der beruflichen Arbeit lösen zu können. (Distanzierungsfähigkeit) 

Können Sie sich gut von der Arbeit lösen? Klären Sie die folgenden Fragen:

 

 

Kann ich gut abschalten? (Wenn nicht, erfinden Sie einen inneren Schalter!)

Was bedeutet für mich "Feierabend"?

Welche Gefühle sind mit "Feierabend" verbunden? (Wärme? Geborgenheit? Vorfreude?)

Ist die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit klar gezogen? (z.B. durch Wechsel der Kleidung)

Gibt es Rituale, die den Feierabend einleiten? (z.B. eine Runde joggen, dann duschen, dann im Winter das Kaminfeuer anzünden und sich in einen Sessel kuscheln, um in einem Krimi zu schmökern...)

Grüble ich nach dem Dienst oft über Ereignisse des Tages in der Schule nach?

Mache ich mir Sorgen, die beruflich bedingt sind?

Habe ich das Gefühl, mit den vielen Aufgaben, die ich neben dem Unterrichten noch erledigen muss, nicht rechtzeitig fertig zu werden? 

 

 

 

Können Sie Ihre Hintergrundarbeit (Planen, Archivieren, Ziel klären, Materialien erstellen, Leistungsbewertungen durchführen, Evaluieren, Verwaltungsaufgaben erledigen, die eigene Kompetenz weiterentwickeln...) effizient organisieren?

 

 

 

Verplempern Sie viel Zeit für Nebensächlichkeiten?

Lassen Sie sich leicht ablenken?

Arbeiten Sie wenig ergebnisorientiert? 

Fühlen Sie sich ständig unter Zeitdruck?

Nutzen Sie oft die Produkte anderer für die eigene Arbeit?

Machen Sie alles selbst oder delegieren Sie?

Bekommen Sie regelmäßig praktische Unterstützung von Kollegen, Sekretariat, Schülern?

Wie oft haben Sie das Gefühl: "Ich habe Zeit"? 

 


Forschungsprogramm des ZEBiD

 

In unserem neuen Buch "Pädagogische Qualität messen. Ein Handbuch"  gibt es ein Kapitel zur Entwicklung des professionellen Selbst, in dem auch auf Krisen und Schwellen in der Berufsbiographie und Möglichkeiten der Burnoutprävention durch Lehrkräfte und Schulleitungsmitglieder eingegangen wird. Inzwischen habe ich die Perspektive umgekehrt und frage: Was trägt dazu bei, dass Pädagogen gesund bleiben? Ich gehe also von den Stärken aus, nicht von den Defiziten. In diesem Zusammenhang hat die Authentizität eine zentrale Bedeutung. 

 

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